30 Jahre Mauerfall
30 Jahre Mauerfall
1989-2019
Seit den knapp 13 Jahren die jetzt hier in Berlin lebe, vergeht kein Tag, an dem ich nicht mit den Resten der Mauer konfrontiert werde.
Jeden Tag auf meinem Weg zum Job komme ich an ihnen vorbei, sehe die Touristenströme, die Sightseeing-Busse und war auch mit meinen Azubis schon entsprechend vor Ort. Die Mauerreste an der Gedenkstätte Berliner Mauer sind die Zeitzeugen der Geschichte dieser Stadt und unseres Landes überhaupt.
Während meiner Kindheit und Jugend gab es für mich mit der Berliner Mauer und dem Eisernen Vorhang kaum Kontakt. In der Schule im westlichsten Niedersachsen wurde die DDR als Ausland bezeichnet. Als wir später dann auf einer der üblichen Klassenfahrten nach Westberlin fuhren und auch in den „Genuss“ kamen über die Friedrichstraße, den Tränenpalst nach Ostberlin zu gehen, war ich als Jugendliche geschockt.
Ost – West
25,00 DM mussten wir „Eintritt“ bezahlen, also zwangsweise Geld umtauschen und ich hatte das Gefühl in eine andere Welt zu gelangen. Alles war grau, nicht so leuchtend bunt und lebendig wie im Westteil der Stadt. Wir zogen in kleinen Grüppchen durch die Straßen, immer auf der Suche nach einer Möglichkeit unser umgetauschtes Geld loszuwerden, denn man durfte es beim Grenzübertritt nicht wieder mitnehmen. Es war wie Monopoli – rückwärts. Wer zuerst sein Geld los war hatte gewonnen.
Am spannendsten erschien uns das „Centrum Warenhaus“ am Alexanderplatz. Vielleicht konnten wir dort unser Geld ausgeben. Wir landeten in der Kosmetikabteilung – für uns Mädels natürlich ideal! Aber dann die große Enttäuschung. Die Regale waren zwar mit diversen Kosmetikschachteln gefüllt, aber es war keine Ware darin. Es gab so gut wie nichts! Die Schallplattenabteilung gab auch nicht das her, was für uns damals angesagt war und die Cola, die es auf dem Alex zu kaufen gab, kostete nur 30 Pfennig und schmeckte überhaupt nicht.
Wir konnten unser Geld nur sehr mühsam ausgeben und haben es kurz vorm Grenzübergang einfach an Passanten verschenkt. Ich hatte eine junge Mutter mit Kind angesprochen – ob ich dem Kleinen mein Geld schenken dürfte. Sie war sehr erschrocken, drehte sich mehrmals um, als würde sie beobachtet. Das Kind durfte mein Geld dann aber annehmen. Es war eine seltsame Situation.
Mein nächster Kontakt mit der Innerdeutschen Grenze war schon intensiver und über Jahre. Ich lebte damals im Harz, genauer gesagt 6 km von der Grenze entfernt. Es war ein engmaschiger Zaun, etwa 3m hoch, aber durch Wachposten, Armee und vor allem durch Minen gesichert. Davor Betonpfosten mit der Aufschrift: Halt! Hier Zonengrenze!
Sehr häufig konnten wir nachts Minen detonieren hören, haben aber angenommen sie seien durch Wild hochgegangen. Es wurde auch nichts anderes bekannt.
Mauerfall
Dann der 9.November 1989, im Fernsehen die Nachricht der geöffneten Grenze. Natürlich fuhren wir gleich los um zu schauen ob sich etwas tut. Nein nichts! Erst am Mittag des 10. November fingen Grenzer an ein Loch in den Zaun zu schneiden. Auf der Zonenseite standen schon jede Menge Menschen und auch auf unserer Seite des Zauns wurde gewartet. Als das Loch groß genug war, dass die ersten Leute durchpassten, gab es natürlich Jubelrufe und Tränen. Gänsehaut-Feeling pur. Da ich meinen Reisepass dabei hatte (der wurde tatsächlich beim durchkrabbeln durch das Loch im Zaun verlangt), bin ich auf die DDR-Seite und einen kleinen Hügel rauf – nur um mal zu schauen. Es war ein seltsames Gefühl, irgendwie hatte ich Angst, dass es sich die Grenztruppen wieder anders überlegen würden und bin dann schnellstmöglich zurück in den Westen.
Auch jetzt noch, wenn ich Berichte und Filmdokumente aus der Zeit des Mauerfall sehe ist das Gänsehaut-Feeling zurück.
Jetzt lebe ich in einem Haus, dass zu Mauer-Zeiten direkt an der Berliner Mauer gebaut wurde. Oft überlege ich wie es wohl für die Bewohner des Erdgeschoss und des 1.OG war, sie haben immer direkt den Beton als Aussicht gehabt. Von meinem Stockwerk aus konnte man schon rüber schauen und die Geschehnisse auf der Grenzanlage verfolgen. Unvorstellbar! Mein Interesse für die Geschichte dieser Stadt und meiner unmittelbaren Umgebung wuchs und gerade das ehemalige Ostberlin hatte es mir angetan.
Ost – West eigentlich sollte es eine Stadt sein und dennoch hört man auch heute – 30 Jahre später – diese sprachliche Einteilung immer noch. Doch das Hören ist die eine Seite, das Denken eine andere. In vielen Köpfen wird leider immer noch geteilt – jetzt – heute – 30 Jahre nach dem Mauerfall!
Wann hört das endlich auf?